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Charakterisierung der Übereinstimmung von Endwert- und Barwert-Präferenzordnung bei gespaltenen Auf- und Abzinsungsfaktoren

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Rudolf Pleier
Juni 2015

1 Der Endwert und der Barwert eines Zahlungsstroms

Der Endwert En(X) des Zahlungsstroms X = (X0,,Xn) ∈ ℝn+1 kann statt mit einem konstanten Kalkulationszinsfaktor allgemeiner mit fristigkeitsabhängigen Haben- und Soll-Aufzinsungsfaktoren aj,n,Dj(X) folgendermaßen definiert werden:

     n En  X   Q Xjaj,n,Dj X  AX X     j 0

mit dem orthantenweise konstanten Aufzinsungsvektor

AX   a    ,...,a      ,1  ,    0,n,D0 X    n 1,n,Dn 1 X

den für die Intervalle [j,n] vorgegebenen Aufzinsungsfaktoren aj,n,Dj(X) > 0 (j0,,n; an,n,D := 1 für D = H, S und dem j-ten Zinssatztypindex

      H  bei Xj C 0 Dj X     S  bei X @ 0.          j

Eine Plausibilisierung für die Definition des Zinssatztypindexes Dj(X) bei den Aufzinsungs­faktoren findet man bei Pleier (2021), S. 212, mittels eines Ergänzungsgeschäfts in Form einer Investition oder Finanzierung.

 

Der Barwert (Kapitalwert, Kapitalgegenwartswert, Gegenwartswert, englisch: present value; bei Zahlungsströmen aus Einnahmen und Ausgaben, also mit Vorzeichenwechsel, auch Nettobarwert, englisch: netto present value) Bn(X) des Zahlungsstroms X = (X0,,Xn) ∈ ℝn+1 wird mit fristigkeitsabhängigen Haben- und Soll-Abzinsungsfaktoren (Diskontierungsfaktoren) d0,j,Fj(X) folgendermaßen definiert:

    n Bn X   Q Xjd0,j,Fj X  PX X     j 0

mit dem orthantenweise konstanten Abzinsungsvektor (Diskontierungsvektor)

PX   1,d0,1,F  X ,...,d0,n,F  X ,1  ,       1      n

den für die Intervalle [0,j] vorgegebenen Abzinsungsfaktoren d0,j,Fj(X) > 0 (j0,,n; d0,0,D := 1 für D = H, S und dem j-ten Zinssatztypindex

      S bei Xj A 0 Fj X     H bei X B 0.          j

Eine Plausibilisierung für die Definition des Zinssatztypindexes Fj(X) bei den Abzinsungs­faktoren findet man bei Pleier (2021), S. 218, mittels eines Ergänzungsgeschäfts in Form einer Finanzierung oder Investition.         

 

2 Die ökonomische Interpretation des Endwerts und Barwerts jeweils als Margenwert einer Replizierung

Der Endwert En(X) ist die Endentnahme (der Margenendwert) ν(X) zum Zeitpunkt t = n bei einer speziellen Replizierung (Glattstellung) des Zahlungsstroms X,

X  S  X   ˆV  ν X  , S  X  > CMn,

nämlich bei der Replizierung mit dem Basiszahlungsstrom B = O, dem Bezugszahlungsstrom U = O, der Beurteilungskurve

W  μ   V  μ   ˆV μ   μ  en 1 μ   0,...,0,1

der Endentnahme und einem speziellen Supplementsystem L = L(RjEj ) von Termingeschäften SjH = RjH, SjS = - RjS  (j = 1,,n) mit den elementaren Zahlungsströmen

RjEj   ej  RjEj,n en 1   0,...,0, 1,0,...,0,RjEj,n

und den Komponenten RjEj,k = 0 für j-1, nRjEj,j-1 = -1 für k = j-1 und RjEj,n = aj-1,n,Ej > 0 für k = n (j = 1,,n, EjM = {H,S}).

Der Barwert (Kapitalwert) Bn(X) ist die Sofortentnahme (der Margenbarwert) ν(X) zum Zeitpunkt t = 0 bei einer speziellen Replizierung des Zahlungsstroms X,

 X  S  X   ¯V  ν X  , S X  > CMn,

nämlich bei der Replizierung mit dem Basiszahlungsstrom B = O, dem Bezugszahlungsstrom U = O, der Beurteilungskurve

       ¯ W  μ   V  μ   V μ   μ  e1 μ   1,0,...,0

der Sofortentnahme und einem speziellen Supplementsystem L = L(KjEj ) von Kassageschäften SjH = KjH, SjS = - KjS  (j = 1,,n) mit den elementaren Zahlungsströmen

Kj   Kj  e  e    Kj ,0,...,0,1,0,...,0  Ej  Ej,0 1  j 1  Ej,0

und den Komponenten KjEj,0 = - d0,j,Ej < 0 für k = 0, KjEj,k = 0 für ≠ 0, j  und KjEj,j = 1 für k = (j = 1,,n, EjM = {H,S}).

Die implizite Prämisse einer ökonomischen Interpretation der Zeitwertmethode bzw. des Zeitwerts Zm,n(X) zum Zeitpunkt t = m (insbesondere des Endwerts mit m = n und des Barwerts mit m = 0) für den fest fixierten Zahlungsstrom X besteht in der Forderung der realen Verfügbarkeit des speziellen Kapitalmarktgeschäfts S‘(X) auf dem Kapitalmarkt K:

\(\mathbf{S'}(\mathbf{X}) = \text{- } \mathbf{X} + Z_{m,n}(\mathbf{X})\mathbf{e}_{m+1} \in K. \)

In der nachfolgenden Charakterisierung der Übereinstimmung von Barwert- und Endwert-Präferenzordnung wird die zu einem Supplementsystem L gehörige zulässige Supplementmenge CMn verwendet:

CMn      CE    E> Mn

mit den konvexen linearen Kegeln CE := cone LE = {S = LEλ : λ ≥ O},  LE = (S1E1,,SnEn) ∈ L1 ×...× Ln, Lj = {SjH,SjS }, E Mn.

Die nachfolgende Abbildung 1 gehört zu einem Beispiel für n = 2, bei dem die Barwert- und die Endwert-Präferenzordnung übereinstimmen und die gemeinsame zulässige Supplementmenge CMn = C'Mn unvollkommen ist, also verschieden von einer Hyperebene HT,0 ist. Dabei wird auch der Linien(doppel)kegel \(R_{M^n}\) dargestellt, der eine wichtige Rolle spielt bei der Untersuchung der Vielfalt der mittels Duplizierung und Replizierung erzeugten D- und R-Präferenzordnungen:

\(R_{M^n} := C_{M^n} \cap (\text{- }C_{M^n}) .\)

 

3 Die Übereinstimmung von Endwert- und Barwert-Präferenzordnung

Für den zum Supplementsystem L = L(RjEj ) gebildeten fiktiven Kapitalmarkt

K    cone L RjE  bℝn  1        j

sei die Arbitragefreiheit

AF   K  9 ℝn 01  O

vorausgesetzt, die durch die Ungleichungen

U A  aj,n,S Caj,n,H j  0,...,n

für die Aufzinsungsfaktoren charakterisiert wird. Die zu den Vergleichszeitpunkten m = 0 und m = n gehörige Barwert-Präferenzordnung ≽B und Endwert-Präferenzordnung ≽E stimmen genau dann überein, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:

1) Die zu den Supplementsystemen  L = L(KjEj ) und L' = L(RjEj ) gehörigen zulässigen Supplementmengen CMn = CMn(L) und C 'Mn = CMn(L') stimmen überein.

2) Der zu den beiden Vergleichszeitpunkten m = 0 und m = n gehörige Aufzinsungsfaktor a0,n,D0 ist kein gespaltener Aufzinsungsfaktor, d. h. es stimmen der Haben- und der Soll-Aufzinsungsfaktor überein:

a0,n,H  a0,n,S  a0,n.

Eine gleichwertige Bedingung ist

d0,n,H  d0,n,S  d0,n.

Dies ist die Aussage von Zusatz 6.2 im unten angegebenen Buch ‚Finanzmathematik‘ auf Seite 245f.

 

Abb. 1  Die zulässige Supplementmenge CM2 und der Linienkegel RM2 der übereinstimmenden Barwert- und Endwert-Präferenzordnung
Abb. 1 Die zulässige Supplementmenge \(C_{M^2}\) und der Linienkegel \(R_{M^2}\)  der übereinstimmenden Barwert- und Endwert-Präferenzordnung für die Laufzeit n = 2 bei gespaltenem Auf- und Abzinsungsfaktor der Zinsperiode [0,1]

 

Im Spezialfall von nichtgespaltenen Auf- und Abzinsungsfaktoren stimmen die Barwert- und die Endwert-Präferenzordnung genau dann überein, wenn der Abzinsungsvektor T0 = (d0,0,,d0,n) (d0,0 = 1) und der Aufzinsungsvektor Tn = (a0,0,,an,n) (an,n = 1) sich nur um einen positiven konstanten Faktor unterscheiden: Tn = \(\delta\)T0 mit \(\delta\) > 0. Dies ist die Aussage von Zusatz 6.3 im Buch ‚Finanzmathematik‘ auf Seite 246-247.

 

Literatur

Rudolf Pleier (2021), Finanzmathematik, Tredition, Hamburg, 2. Auflage.