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Ein streng monotoner Effektivzinssatz

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Rudolf Pleier
Juni 2015

Für die in der Praxis verbreitete Ansicht, dass bei einer Finanzierung höhere Kreditgebühren bzw. höhere Rückzahlun­gen einen höheren Effektivzinsfaktor und umgekehrt Tilgungszuschüsse einen niedrigeren Ef­fektivzinsfaktor bewirken, kann zunächst für reguläre Fi­nan­zierungen und dann noch für sog. NU-Finanzierungen eine mathematische Begründung gegeben werden. Dabei ist eine reguläre Finan­zie­rung definitionsgemäß eine Finanzierung X = (X0,X1,…,Xn)T \(\in \mathbb{R}^{n+1} \) (X0 > 0) mit genau einem Vor­zeichenwechsel in der Zahlungsfolge (Xj)j=0,…,n: Es gibt einen Index m ∈ {1,…,n} mit 

                        X0 > 0,   Xj ≥ 0 für j = 1,…,m‑1, Xm < 0,   Xj ≤ 0 für jm+1,…,n

Eine NU-Finanzierung besitzt für ihre Barwertfunktion Bn(q) = Bn(X,q) genau eine positive Nullstelle qX, die außerdem noch eine Vorzeichenwechselstelle ist. Aufgrund des Grenzwert­verhal­tens der Barwertfunktion an den Grenzen des Intervalls ]0,∞[ besitzt die Barwertfunktion die Vor­zeichen­verteilung 

                        Bn(X,q) < 0 für q ∈ ]0,qX[ und Bn(X,q) > 0 für q ∈ ]qX,∞[.   

Bei der (strengen) Monotonie der Effektiv­zins­faktor-Funktion (Interner Zinsfaktor-Funktion) qint(X) werden nur Argumente (unabhängige Variable) X, Y \(\in \mathbb{R}^{n+1} \) betrachtet, die mittels der natür­lichen Halbordnung ≤ (bzw. der strengen Halb­ord­nung \(\underset{\cdot}{<}\)  = ≤ ∩ ≠) verglichen werden kön­nen.        

Satz 1 Die streng monotone Abhängigkeit des Effektivzinssatzes einer regulären Finan­zie­rung von Ge­büh­ren bzw. von Til­gungs­zuschüssen                             

1) Erhält man bei einer vorgegebenen regulären Finanzierung Y \(\in \mathbb{R}^{n+1} \) (Y0 > 0) durch die Ver­einbarung von zu allen Zeitpunkten j = 0,…,n möglichen zusätzli­chen Gebühren Gj ≥ 0 wieder eine reguläre Finanzie­rung

            XYDD = ‑ G \(\underset{\cdot}{<}\) O,

   so erhöht sich der nominelle Kreditzinsfaktor (Nominalzinsfaktor, interne Zinsfak­tor) qYqint(Y) des nominel­len Zahlungsstroms Y auf den größeren Effektivzinsfaktor qXqint(X) des effektiven Zahlungsstroms X:

    qX > qY.      

2) Werden dagegen zur regulären Finanzierung Y noch zusätzlich Tilgungszu­schüsse Bj ≥ 0 vereinbart und ist auch der resultierende Zahlungsstrom  

   X = Y + DD = + \(\underset{\cdot}{>}\) O,

   noch eine reguläre Finanzierung, so erniedrigt sich der Kreditzinsfaktor qYqint(Y) von Y auf den kleineren Ef­fektivzinsfaktor qXqint(X) von X:

  qX < qY.      

   Die gleichzeitige Hinzunahme von Gebühren und Zuschüssen ist hier nicht zuge­lassen.

3) Insgesamt erhält man aus 1) und 2) für direkt vergleichbare reguläre Finanzie­rungen X, Y \(\in \mathbb{R}^{n+1} \) (X \(\neq\) Y) und ihre eindeutig bestimmten positiven internen Zinsfaktoren qXqint(X) und qYqint(Y) die Aussagen:

            i)  X \(\underset{\cdot}{<}\)  Y ⇔  qX > qY;        

            ii) X \(\underset{\cdot}{>}\)  Y ⇔ qX < qY.   

 

Abb. 1  Barwertfunktionen regulärer Finanzierungen

Abb. 1    Die Graphen der Barwertfunktionen Bn(X,q) und Bn(Y,q) der direkt vergleichbaren regulären Finanzierungen X und Y mit DX - Y \(\underset{\cdot}{<}\) O und den internen Zinsfaktoren qX = qint(X) > qY = qint(Y)       

 

Ein analoger Satz kann auch für direkt vergleichbare reguläre Investitionen (Anlagen, X0 < 0) mit Ge­bühren oder Sparzuschüssen (Boni) formu­liert werden. Insgesamt ist dann sowohl für re­guläre Finan­zierungen als auch für reguläre Investitionen die Interner Zinsfaktor-Funktion streng mono­ton. Sie ist für reguläre Finanzierungen streng monoton fallend und für reguläre In­vestitio­nen streng monoton steigend.

 

Für diesen Satz werden in der PDF-Datei zwei Beweise angegeben. Ein erster kurzer und einfacher Beweis verwendet die Vorzeichenverteilung der Barwertfunktion einer regulären Finanzierung auf der positiven Halbachse ]0,∞[. Mit diesem ersten Beweisweg lässt sich der Satz auch verallge­mei­nern auf NU-Finanzierungen Z (Z0 > 0) bzw. NU-Investitionen Z (Z0 < 0). Für eine NU-Finan­zierung Z hat die Barwert­funktion Bn(q) := Bn(Z,q) genau die im Beweis beschriebene Vorzei­chen­verteilung auf der posi­tiven Halbachse: Bn(q) besitzt also genau eine positive Nullstelle. Diese ist noch eine Vor­zeichenwechselstelle bzw. eine Nullstelle von ungerader Vielfachheit (Ordnung). Durch Bei­spiele kann gezeigt werden, dass die Aussage des Satzes für einen Zah­lungsstrom, der nicht eine NU-Finanzierung oder eine NU-Investition ist, im Allgemeinen nicht gültig ist.

Ein zweiter aufwendigerer Beweis verwendet den Satz über implizite Funkti­onen, um die Exis­tenz und strenge Monotonie der lokalen Interner Zinsfaktor-Funktion nachzu­weisen. Weiter verwendet er, dass die Menge \(\Phi\) der regulären Finanzierungen wegzusammen­hängend ist und je zwei direkt vergleichbare Punkte X und Y dieser Menge \(\Phi\) durch eine mono­ton steigende Kurve verbunden werden können. Der zweite Beweisweg liefert auch noch weitere Aussagen über die lokale Interner Zinsfaktor-Funktion.   

 

Abb. 2  Barwertfunktionen von NU-Finanzierungen

Abb. 2    Die Graphen der Barwertfunktionen Bn(X,q) und Bn(Y,q) der direkt vergleichbaren NU-Finanzierungen X und Y mit DX - Y \(\underset{\cdot}{<}\) O und den internen Zinsfaktoren qX = qint(X) > qY = qint(Y)       

 

Literatur

Pleier R. (2021), Finanzmathematik, Tredition, Hamburg, 2. Auflage.